Wir freuen uns Euch wieder ein Interview zu präsentieren. Dieses Mal gibt es ein Interview mit der Produktdesignerin Anika Engelbrecht aus Kassel.
Die Arbeiten der Jungdesignerin begeistern nicht nur in Deutschland sondern wurden auch bereits in China präsentiert und stießen dort auf sehr positive Resonanz. Ehrliches Design mit schönen Details u. a. aus dem Material Glas machen die Arbeiten von Anika Engelbrecht aus. Weitere Informationen zu den Arbeiten und Ihrer Person findet Ihr im Interview.
Wir wünschen Euch viel Spaß beim Lesen!
Hallo Frau Engelbrecht. Es freut uns, dass Sie sich etwas Zeit nehmen konnten für unser Interview. Stellen Sie sich doch bitte kurz unseren Lesern vor.
Anika Engelbrecht: Mein Name ist Anika Engelbrecht. Ich bin Produktdesignerin und lebe in Kassel, was übrigens viel besser ist als sein Ruf – besonders in diesem Jahr.
Wie ist Ihr Werdegang? Wo haben Sie studiert, bzw. wo wurden Sie ausgebildet? Und was machen Sie zur Zeit beruflich?
Anika Engelbrecht: Ich habe Produktdesign an der HBKsaar in Saarbrücken studiert, zwischendurch an der ESBA Marseille. Mittlerweile arbeite ich freiberuflich an eigenen Projekten und an Auftragsarbeiten im Bereich Accessoires, Tableware und Glas.
Wie sind Sie zum Produktdesign gekommen und wer oder was inspiriert Sie?
Anika Engelbrecht: Ich könnte jetzt Situationen aufzählen, aus denen ich meine Inspiration ziehe, aber im Grunde ist das völlig egal. Man kann sich immer und überall inspirieren lassen. Die Voraussetzung ist das, was wichtig ist: Aufmerksam zu sein und alles zu hinterfragen. Natürlich gibt es Situation, die diesen Prozess vereinfachen. Deshalb verreise ich auch sehr gern. Wenn man eine andere Kultur erkundet und entdeckt man dort zwangsläufig Dinge, die dort anders sind, und erfährt dadurch auch sehr viel über die eigene (Produkt-)Kultur. Man entdeckt Details, die man ansonsten nicht wahrgenommen oder als selbstverständlich hingenommen hätte.
Was begeistert Sie am Produktdesign?
Anika Engelbrecht: Das tolle am Produktdesign ist es, den Dingen auf den Grund zu gehen. Ich recherchiere gerne ausführlich. Und ich habe jedes Mal das Gefühl, ein bisschen mehr von der Welt zu verstehen. Natürlich auf einem relativ banalen Level – es ist ja keine Quantenphysik. Aber man versteht, wie unsere Konsumgesellschaft funktioniert. Wo die Produkte herkommen, die uns umgeben und wie sie hergestellt werden. Und natürlich will man das dann auch mitgestalten.
Wer sind Ihre Lieblingskünstler und wieso?
Anika Engelbrecht: Zu viele, um sie alle aufzuzählen! Momentan begeistern mich einige der documenta(13)-Kunstwerke sehr: Susann Phillipz Klanginstallation im Hauptbahnhof, unfassbar schön und traurig zugleich; der Videowalk von Janet Cardiff und George Bures Miller… in dem sich Realität und Fiktion überlagern. Und ich mag Pedros Reye’s „Sanatorium“, in dem man sich therapieren lassen kann. Es ist irgendwie surreal und merkwürdig, aber gleichzeitig funktioniert es total gut.
Wie würden Sie Ihren eigenen Stil beschreiben?
Anika Engelbrecht: Schlicht und möglichst ehrlich, aber mit überraschenden Details. Ich mache Dinge lieber sichtbar, als sie hinter einer gestylten Hülle zu verstecken.
Wir sind besonders auf Ihre Arbeiten „Bent“ und „Fence“ aufmerksam geworden. Erzählen Sie uns doch etwas darüber. Was haben Sie sich genau dabei gedacht?
Anika Engelbrecht: Mit Bent wollte ich den Spiegel ein wenig neu interpretieren. Ich habe versucht, ihn mir eher als ein Möbel vorzustellen und nicht nur als Fläche, die irgendwo an der Wand klebt. Bent ist dreidimensional und tritt aus der Wand hervor. Und gewinnt dadurch auch noch eine neue Funktion hinzu, ohne eine zusätzliche Konstruktion oder ein anderes Material zu benötigen.
Fence hat sich aus einer intensiven Auseinandersetzung mit Sandstrahlen als Dekortechnik für Glas entwickelt. Ich habe viel experimentiert. Dabei hat mich besonders fasziniert, dass man mit sehr hohem Druck dreidimensionale Strukturen aus den Glas herausarbeiten kann. Ich habe mich mit der Funktion von Dekor auseinandergesetzt und daraus ist (unter anderem) Fence entstanden. Für die erste limited Edition habe ich mit CIAV zusammengearbeitet, einem experimentellen Glaszentrum in Frankreich. Die Vasen werden mundgeblasen und dann individuell gesandstrahlt. Jedes Dekor ist ein Unikat.
Haben Sie zur Zeit noch weitere Projekte, an denen Sie arbeiten?
Anika Engelbrecht: Ich arbeite momentan im Glasbereich an Projekten für verschiedene Hersteller. Da kann ich leider noch nicht mehr verraten…
Außerdem plane ich, einige Entwürfe selbst zu produzieren und zu vertreiben. Das ist sehr spannend, weil man sich plötzlich mit ganz anderen Aspekten eines Produkts auseinandersetzen muss.
Wir haben gesehen, dass sie auch im asiatischen Raum vertreten sind mit Ihren Arbeiten. Wie nimmt das Publikum dort ihre Arbeiten auf?
Anika Engelbrecht: Ich habe letzten Oktober auf der Interior Lifestyle in Shanghai ausgestellt. Das war eine einmalige Erfahrung! Ich hatte viel Resonanz in der Presse, was mich sehr gefreut hat. Besonders die Swell Vasen sind gut angekommen. Die Reaktionen der Besucher haben gezeigt, dass Design trotz Sprachbarriere und kulturellen Unterschieden universell verstanden wird. Aber Unterschiede gibt es natürlich: So haben die knallbunten Vasen viel mehr Begeisterung hervorgerufen, als die eher dezenten, abstrakten Glasobjekte. In Deutschland war es genau umgekehrt.
Das Vorurteil von der reinen „Kopierkultur“ der Chinesen ist überholt. Sicher gibt es das auch, aber mir wurde auch klar, wie sehr man als Europäer doch von diesen typischen Vorurteilen geprägt ist. Der Aufenthalt hat mich für die chinesische Kultur begeistert, und ich werde auf jeden Fall noch einmal nach China reisen.
Wie sind Ihre weiteren beruflichen, künstlerischen Pläne?
Anika Engelbrecht: Ich möchte meine Spezialisierung auf Glas weiter ausbauen. Ich liebe einfach dieses Material und möchte weiter damit arbeiten.
Dann hoffe ich natürlich, dass die Eigenproduktion meiner Entwürfe gut anläuft.
Vielen Dank für das Interview und alles Gute für die Zukunft.
Anika Engelbrecht: Dankeschön!