Die Produktdesignerin und Wahlberlinerin Barbara Ott hat uns im Interview Fragen zu ihren Arbeiten und ihrem Leben beantwortet. Sie erzählt uns auch ein paar Details zu ihrem Projekt „MoreThanChili“ und verrät uns, was sie unternimmt, wenn ihr einmal die Designideen ausgehen…
Weitere Informationen und die neuesten Projekte der Designerin Barbara Ott findet man auch auf ihrer Webseite. Wir wünschen viel Spaß beim Lesen des Interviews!
Frau Barbara Ott, Sie sind Diplomdesignerin und Inhaberin von „Pro Gestalt – Design und Strategie“. Wollen Sie sich vielleicht selbst unseren Leserinnen und Lesern kurz vorstellen?
Barbara Ott: Sehr gerne. Mein Diplom im Produktdesign habe ich an der HfG Offenbach am Main gemacht. Davor studierte ich an der Akademie für Gestaltung in Ulm. Die Gestaltung von Produkten und deren Marktfähigkeit hat mich schon früh interessiert. Durch eine Lehre zum klassischen Möbeltischler bekam ich ein Gespür für Details, Material und Herstellungsverfahren. Improvisation lernte ich während der Zeit als Kunstrestauratorin im italienischen Vicenza. Hier entwickelte ich auch eine Wertschätzung für handwerkliches Geschick und antike Gegenstände. Mein handwerkliches Fundament ist heute eine wertvolle Grundlage für meine Arbeit als Designerin. Heute lebe und arbeite ich in Berlin.
Nach Ihrer Tischlerlehre haben Sie ein Designstudium absolviert. Wie kam es dazu, dass Sie sich selbstständig gemacht haben?
Barbara Ott: Das war schon immer mein Plan. Bereits während meines Studiums konnte ich als Freelancer für Designbüros arbeiten und kam mit renommierten Unternehmen in Kontakt. Da lag es dann auch nah, ein Praktikum in der Designabteilung von Neff zu machen, was mir interessante Einblicke in die Arbeit des Designers bei einem industriellen Großunternehmen vermittelte. Die Quintessenz für mich war: So unterschiedlich und vielfältig die Aufgabengebiete auch gewesen sind, so spannend, interessant und lehrreich fand ich jede neue Perspektive.
Für meinen Weg in die Selbständigkeit war die Übernahme der Leitung der Designabteilung von Modell-N, eines Unternehmens für Prototypenbau bei München, ein wichtiger Schritt. Ich betreute eigenverantwortlich verschiedene Projektaufträge aus der Industrie. Die HD-Antenne mit Kopfhörerhalter von Thomson war eines dieser Projekte und es macht mich besonders stolz, dass dieses Produkt mittlerweile in den Regalen steht. Ich hatte auch die Möglichkeit, eigene Ideen umzusetzen. „TABLEdance“, ein zusammensteckbarer Beistelltisch für den Außenbereich mit abnehmbarem Tablet, ist eine davon.
An meiner jetzigen Selbstständigkeit ist besonders spannend und herausfordernd, dass ich im Grunde meine Ausbildung in ihrer ganzen Bandbreite nutzen kann. Ich habe die Möglichkeit alles umzusetzen, was mich interessiert. Diese Vielfalt kann mitunter sehr anstrengend sein, aber sie hält einen auf Trab.
Hat das Thema Produktdesign Sie schon immer interessiert?
Barbara Ott: Soweit ich zurück denken kann, wollte ich ein Erfinder werden. Mich faszinierten fiktive Personen wie Q, der Erfinder bei James Bond, der immer neue, unfassbare Geräte entwickelte. Aber auch Persönlichkeiten wie Albert Einstein, mit dem ich die schwäbische Heimat teile. Als Kind dachte ich: So eine Arbeit will ich haben! Doch als Kind erntet man eher ungläubige oder belustigende Blicke, wenn man sagt, dass man Erfinder werden möchte. Da hätte ich dann auch gleich den Berufswunsch Astronaut oder Rockstar äußern können, die Reaktionen wären wohl dieselben gewesen. Also ging ich als kreativer Problemlöser auf die Suche nach einer neuen Bestimmung. Ich machte Kurse im naturwissenschaftlichen und kreativen Bereich, vom Insektenfang über Seidenmalerei bis hin zu Laubsägearbeiten. Beim Thema Holz blieb ich dann erst mal hängen – das riecht so gut und man kann nützliche Dinge daraus bauen. Dass ich als Produktdesignerin heute tatsächlich eine Art Erfinder des 21. Jahrhunderts sein kann, erkannte ich allerdings erst nach der Grundausbildung in Ulm.
Sie sind Wahlberlinerin. Wie stark beeinflusst die Stadt Ihre eigene Arbeit?
Barbara Ott: Berlin empfinde ich als sehr vielfältig und als kreatives Umfeld durchaus inspirierend. Ich mag die Menschen hier und auch das große kulturelle Angebot. Es gefällt mir hier also ganz gut. Mein Standort hat mir allerdings zum Glück noch nie Grenzen gesetzt und da ich nicht nur auftragsbedingt viel reise, gewinne ich meine Eindrücke überall. Es ist nicht nur eine Stadt, sondern alles um mich herum, das mich inspiriert. Das kann ein interessantes Gespräch sein, ein Mensch, ein Gebäude, ein Material, ein Kunstobjekt oder ein Handwerk. Ich bin Sammler. Immer und überall.
Haben Sie ein Lieblings-Möbelstück? Welches wäre das?
Barbara Ott: Das 50er Jahre Buffet in meiner Berliner Wohnung. Ich mag alte Möbel. Sie sind wie eine Zeitmaschine. Schon vor meiner Zeit als Kunstrestauratorin verspürte ich einen Zauber in antiken Gegenständen. Es ist, als erzählten sie Geschichten aus vergangenen Tagen. Heute, wo die Produktzyklen immer kürzer werden, finde ich solche „Anker“ besonders wichtig. Sie bringen Ruhe und Wertschätzung in unsere schnelllebige und manchmal respektlose Ding-Welt. Was darf heute noch mit Würde altern? Die Dinge gehen kaputt und werden ausgetauscht. Es gibt selten Reparatur-, geschweige denn Restaurationsbedarf. Angesagt ist nur noch der Ersatz. Flexibel und austauschbar muss alles sein. Wir selbst wohl auch. Mein Buffet ist meine kleine aber massive Rebellion gegen diesen Trend.
Wir sind besonders auf Ihr Projekt „MoreThanChili“ aufmerksam geworden. Erzählen Sie uns doch ein paar Details darüber.
Barbara Ott: MoreThanChili ist ein schlichtes und zugleich elegantes Gewürzregal. Ich wollte von vornherein ein stimmiges und selbsterklärendes Produkt schaffen. Spannend war sein besonderer Entstehungsprozess. MoreThanChili entstand ohne Zeitdruck und Abgabetermine. So konnte es über mehrere Jahre hinweg reifen und zu dem werden, was es ist:
Einem Objekt, das Freude macht und das man mit gutem Gewissen präsentieren kann.
MoreThanChili wird in Bayern von einem Schreinernetzwerk gefertigt, in Höhr-Grenzhausen mit hochwertigen Gewürzdosen von ASA bestückt und von Artificial aus München vertrieben. Ein echtes „Made in Germany“ Produkt. Das geht heute nur noch durch ein gut eingespieltes Vertriebs- und Lieferantennetzwerk und eine vertrauensvolle Basis. Nur so ist eine dauerhaft hohe Qualität garantiert. Das ist mir als Designerin wichtig. Der Anspruch an eine hohe Qualität muss über das Zeichenbrett hinausreichen. Auch wenn es häufig eine Herausforderung darstellt, gegen den billigen Massenmarkt anzukommen, setze ich auf die achtsamen Umdenker. Wir brauchen keine Sollbruchstellen à la geplante Obsoleszenz. Wir müssen dafür allerdings bereit sein, bewusster zu konsumieren. MoreThanChili versteht und spricht diese Sprache.
Wenn Ihnen einmal die Designideen ausgehen, was tun Sie dann?
Barbara Ott: Das ist mir zum Glück noch nie passiert. Ich verstehe mich als Problemlöser und wo es Probleme gibt, da gibt es auch immer Lösungen. Wenn ich also einmal keine Ideen mehr hätte, dann müssten folglich auch die Probleme ausgestorben sein (lach). Es ist eher der Zeitdruck, der eine Herausforderung darstellt. Sobald ich merke, ich könnte in eine Blockade laufen, weil ich mir mal wieder Kreativität auf Knopfdruck abfordere, dann jogge ich. Danach bin ich wieder frei. Und wenn die Lösungen nicht schon beim Laufen kamen, dann kommen sie danach wieder wie von selbst.
Worin besteht die größte Herausforderung beim Entwerfen eines Produktes?
Barbara Ott: Ihm den passenden Kniff zu geben. Etwas Besonderes, eine Art Aha-Effekt zu schaffen. Das verleiht meinen Entwürfen die nötige Tiefe und Bedeutung, die ich mir wünsche. Das lässt mein Erfinderherz höher schlagen. Natürlich könnte ich einfach ein neues Material verwenden oder eine besonders ausgetüftelte handwerkliche Lösung einbringen. Doch das allein reicht nicht. Es muss zum Objekt passen. Die Abstimmung verlangt sehr viel Feingefühl und ist mein Anspruch an mich selbst.
Ist Ihnen die Form wichtiger als die Funktion eines Gegenstandes?
Barbara Ott: Im Design gibt es für mich keine Form ohne Funktion und genauso auch keine Funktion ohne Form. Das eine bedingt eben das andere. Lediglich die Komposition ist beeinflussbar und sollte in harmonischem Einklang stehen. Wobei hier bekanntlich auch Disharmonien interessante Spannungen im Formklang erzeugen können. Bewusst eingesetzt, können Disharmonien beispielsweise die Funktion der Provokation erfüllen. Es geht für mich also immer um die Komposition aus Form und Funktion, um den Klang im Zusammenspiel.
Wie sieht Ihre Wohnung aus? Wohnen Sie mit Ihren eigenen Produkten?
Barbara Ott: Ich wohne in einer modernen Altbauwohnung mit Jugendstildetails, die ich sehr mag. Freunde sagen über meine Wohnung, dass sie eine typische Designerwohnung sei (lach). Das liegt vermutlich an der Kombination aus den weißen Wänden und den noch unvollendeten Werken, die sich hier in ihrer Funktion erproben dürfen.
Außerdem sammle ich neben Designobjekten von befreundeten Designern scheinbar auch etwas seltsame Dinge, die manchem Besucher schon ein Fragezeichen ins Gesicht gezaubert haben, so etwa Straßenplakate mit besonderer Typographie oder Gegenstände aus anderen Kulturen, die ich von Reisen mitgebracht habe. Ich lege Wert auf Details, aber nicht darauf, dass alles aus einem Guss ist. Gerade dadurch passt es dann wieder zusammen. So finden sich alte gerahmte Schwarzweißaufnahmen von Venedig neben einer Porzellankuh, Omas Nudelsieb hängt mit gehäkelten Topflappen an der Küchenreling neben alten Retrokopfhörern und über einem Prototyp von „TischDECKLE“ baumelt ein Leuchten-Experiment. Alles erzählt eine Geschichte. Ein platzeinnehmender Blickfang ist sicher meine stetig wachsende Platten- und Musikinstrumentesammlung, die teilweise selbst produziert ist.
Wie sind Ihre weiteren beruflichen Pläne?
Barbara Ott: Ich möchte weiterhin mit Freude und Begeisterung das tun können, was ich momentan tue, und das Unternehmen „Selbstständigkeit“ erfolgreich ausbauen. Konkrete Pläne brauche ich dafür im Moment keine. Ich suche vielmehr nach spannenden Aufgaben und setze einen Fuß vor den anderen. Ich denke zum Beispiel über einen Zusammenschluss mit einem weiteren fachfremden Gebiet nach. Erste vielversprechende Gespräche gab es schon. Wichtig sind Leute, die zuerst mal etwas bewegen wollen. Über alles andere lässt sich reden.
Vielen Dank für das Interview und alles Gute für die Zukunft.