Interview mit Michael Hilgers

Im Gespräch mit Michael Hilgers

Wir freuen uns Euch heute ein Interview mit dem Berliner Produktdesigner und Innenarchitektem Michael Hilgers vorzustellen, der u. a. durch seine Arbeiten „Steckling“ und „flatmate“ bekannt ist. Er spricht mit uns über seine Arbeiten, sein Leben und die Stadt Berlin.

Weitere Informationen findet Ihr über den Designer auf seiner Webseite: iidee. Wir wünschen Euch viel Spaß beim Lesen des Interviews!

Hallo Herr Hilgers. Es freut uns, dass Sie sich etwas Zeit nehmen konnten für unser Interview.
Nach Ihrem Abitur haben Sie eine Ausbildung zum Möbeltischler gemacht und ein Architekturstudium absolviert. Wie kam es dazu, dass Sie Ihr Studio !idee gegründet haben?

Michael Hilgers: Nach rund 2 Jahren in diversen Architektur- und Innenarchitekturbüros habe ich mich von einem Tag auf den anderen entschlossen, mein eigenes Ding zu machen: Ich wollte lieber wieder kleinmaßstäblich arbeiten und nicht an Reihenendhäusern und Shoppingcentern herumzeichnen.

In meinem aktuellen Tätigkeitsbereich können nun Ideen sehr schnell Realität werden und vielen Menschen messbar tatsächlich Freude und Nutzen bringen. Diese unmittelbare Auseinander-setzung mit Produkt, Hersteller und natürlich dem Endkunden ist sehr erfüllend.

Sie wohnen in Berlin. Wie stark beeinflusst diese Stadt Ihre eigene Arbeit?

Michael Hilgers: Sicherlich ist Berlin mittlerweile die kreative Metropole schlechthin: Als ‚UNESCO City of Design‘ ist die Stadt Anziehungspunkt für Gestalter aller Couleur. Dieses kreative Klima der Stadt beeinflusst meine Arbeit allerdings nicht im Mindesten. Für mich ist es lediglich ein willkommener Marketingfaktor.

Portrait Michael Hilgers

Was mich am grossstädtischen Leben tatsächlich inspiriert sind die hohe räumliche Dichte, kleine Wohnungen, Reizüberflutung, der Mangel an privatem Grün. Ein Ansporn für meine Arbeit ist der offensichtliche Bedarf an einfachen, formschönen und vor allem funktionalen Lösungen für diese typischen urbanen Probleme.

Haben Sie ein Lieblings-Möbel? Welches wäre das?

Michael Hilgers: Mein Lieblingsmöbel ist immer das, an dem ich gerade jeweils arbeite. Es ist wie ein Kind das man zur Welt bringt, groß zieht und dann seine eigenen Wege gehen lassen muss…

Wir sind besonders auf Ihr Projekt „Steckling“ und „balKonzept“ aufmerksam geworden. Erzählen Sie uns doch etwas darüber.

Steckling
rephorm Steckling

Michael Hilgers: „Steckling“ war seinerzeit (also vor rund 6 Jahren was im Designbusiness eine kleine Ewigkeit ist…) der erste wirkliche Pflanzbehälter für Balkongeländer. Diese simple Idee ist mir eines Tages beim Zähneputzen gekommen: Ich habe dann sehr schnell auf eigene Kosten eine Herstellungs-form bauen lassen, mit ‚rephorm‘ zwecks Vertrieb ein eigenes Label gegründet, einen Stand auf der Spoga (wichtige Gartenmesse in Köln) gemietet und das Produkt dort präsentiert- Und: Niemand hat vom Produkt seinerzeit irgendwie Notiz genommen, weil von der Fachwelt der Bedarf anscheinend damals nicht erkannt wurde.

Heute sind trotz meines seinerzeit für den ‚Steckling‘ angemeldeten Geschmacksmusters Nachahmungen europaweit bei Discountern und Baumärkten erhältlich. Die betreffenden Produzenten wissen sehr gut, mit welchen gestalterischen Mitteln ein solcher Schutz umgangen werden kann: Hier ein wenig runder, oben eine Wulst- und fertig.

Die Geschichte dieses ‚doofen‘ Blumentopfes hat mich viel darüber gelehrt, wie unser Markt funktioniert, wie hungrig die Konsumenten nach wirklichen Neuerungen sind und wie dreist auch die europäische Industrie mit geistigem Eigentum anderer umgeht.
Man kann aufgrund letzterem resignieren oder aber einfach das Gelernte umsetzen und neue Produkte auf andere Arten vermarkten: So ist meine neuartige Symbiose aus Blumenkasten und Balkontisch ‚balKonzept‘ über einige wenige Händler meines Vertrauens erhältlich- der hauptsächliche Vertrieb erfolgt jedoch auf direkte Art und Weise.

Ebenso verfahre ich mit meinem im Frühjahr 2013 erscheinenden ‚balconismo‘: Diese völlig neue Art von Balkonkasten ist ähnlich wie ‚Steckling‘ werkzeuglos am Geländer zu befestigen, passt aber auch auf massive Brüstungen.

balconismo

Der Clou ist allerdings neben der innovativen Form der rund 4 Liter fassende Wasserspeicher. Strategie ist es wie auch bei ‚balKonzept‘ ein qualitativ hochwertiges grossformatiges Nischenprodukt ‚Made in Germany‘ anzubieten, dass sich an Kunden mit Designverstand und Qualitätsanspruch wendet. Das ist für Plagiatoren uninteressant. Das lässt sich nicht palettenweise über Baumärkte vermarkten. Über meinen neuen www.balkonshop.com bekommt man dagegen dann das originäre Produkt auf kurzem Wege direkt vom Ideengeber aus deutscher Fertigung.

Weitere Informationen zu den Arbeiten von Michael Hilgers findet Ihr hier -> http://www.iidee.eu

Sie selbst sagen, dass Ihre Arbeitsphilosophie darin besteht zweckmäßige Lösungen für altbekannte Probleme zu finden. Sprich, Sie wollen Produkte bzw. Möbel so verwandeln, dass sie die eine einzigartige Funktion bekommen, die es bis dato noch nicht gab.

Michael Hilgers: Nicht ganz: Ich versuche eher ‚Probleme‘ aufzudecken, von denen der Konsument vielleicht erst einmal gar nicht wusste, dass er sie überhaupt hat – und zwar weil es auf dem Markt bislang keine Lösungen dafür gibt. Es geht also weniger darum, bekannte Produktkategorien zu verwandeln oder umzugestalten als denn vielleicht neue Typologien zu entwickeln.
Allen Produkten ist eigentlich gemeinsam, dass man Sie weder von der Dimension noch von der Gestaltung her weiter reduzieren kann: Diese Reduktion auf das Wesentliche lässt der eigentlichen Funktion dann mehr Raum.

Beispiel hierfür ist neben dem eingangs behandelten „Steckling“ mein Sekretär flatmate. Viele Käufer sind erst durch diesen extrem flachen minimalistischen Arbeitsplatz auf die Idee gekommen, sich z.B. in einer kleinen Nische im Flur ein Homeoffice einzurichten.

Flatmate

Diese Nische ist vielleicht so klein, dass kein herkömmliches Möbel hineinpasst- also kommt man unweigerlich erst gar nicht auf die Idee, diese Ecke nutzbar zu machen. Will sagen: Erst die Produktlösung schafft in diesem Falle den Bedarf. Und eben diese Lücken im Angebot aufzudecken reizt mich. Es gibt eben doch noch nicht alles. Sie werden sehen: Auf der kommenden Kölner Möbelmesse wird es einige Hersteller geben, die nun vielleicht auch ein wenig aufgrund des Erfolges meines ‚flatmate‘ ebenfalls flache Arbeitsplätze anbieten…

Wenn Sie feststellen, dass jemand eines Ihrer Produkte kopiert. Sehen Sie es als Kompliment oder als Diebstahl?

Michael Hilgers: Es fällt schwer, die Nachahmung meiner Produktideen als Kompliment zu sehen; Vielleicht kann man es so beschreiben: Als Gestalter sehe ich mich bestätigt- Als Unternehmer sehe ich mich beschädigt. Es werden ja nicht unbedingt Produkte kopiert weil sie einfach nur schön sind, sondern weil sie erfolgreich sind. Es wird also von den Nachahmern in der Regel immer erst mal gewartet, bis der Entwickler mühsam einen Markt erobert oder geschaffen hat- und dann wird lustig nachgemacht. Wenn man wie ich Kapital in Herstellungsformen investiert hat, kann einem dies schon schweren Schaden zufügen.

Als Gestalter war ich übrigens fassungslos, als vor kurzem eine israelische Nachahmung meines seit 6 Jahren über den Designhandel erhältlichen und aus dutzenden Veröffentlichungen bekannten „Steckling“ mit dem bekannten red dot Award für seine „Innovative Befestigung am Balkongeländer“ ausgezeichnet wurde- Schließlich ist doch gerade dies die offensichtlich Idee meines Produktes gewesen. So werden Nachahmer auch noch offiziell für ihr erbärmliches Tun belohnt…

Wenn eine große Möbelkette auf Sie zukommen würde, käme für Sie eine Zusammenarbeit in Frage?

Michael Hilgers: Neben dem bei grossen Möbelketten nach wie vor vorherrschenden ‚Landhausstil‚ und ‚Gelsenkirchener Barock‘ ist noch viel Luft für neue Produktideen. Wenn also ein grosses Möbelhaus mit der Bitte auf mich zukommen würde, neue Produkte mit Mehrwert zu entwickeln würde ich mich sehr freuen: Schließlich sitze ich hier nicht im Elfenbeinturm und kreiere Luxusgüter sondern ich versuche möglichst einfache Dinge mit Mehrwert (ob nun emotional oder funktional) zu schaffen.

Und das benötigt meiner Meinung nach das Klientel des unteren Preissegmentes mindestens genauso wie der typische solvente „Designkäufer“ – Was gibt es für einen Gestalter Schöneres, als möglichst vielen Menschen zu einem sinnvollen neuartigen Produkt zu verhelfen, um das Wohnen ein wenig praktischer, einfacher und schöner zu machen…

Wie sieht Ihre Wohnung aus. Wohnen Sie mit Ihren eigenen Produkten?

Michael Hilgers: Unsere Wohnung ist weitestgehend designfrei. Der eine oder andere meiner Entwürfe steht bei uns zu Hause herum, weil wir ihn tatsächlich gebrauchen können- aber ansonsten besitzen wir eigentlich bewusst ziemlich wenige Dinge: Aber diese sind uns dann tatsächlich wichtig.

Wir können uns gut von Dingen trennen und genießen die Freiheit, die uns ein Wohnen ohne „Stehrümchen“ bietet. (Es ist übrigens tatsächlich schon vorgekommen, dass Freunde im Anschluss an einen Besuch bei uns ihre Wohnung ausgemistet haben…)

Wie sind Ihre weiteren beruflichen Pläne?

HIDEsk

Michael Hilgers: Nahziel ist die kommende ‚imm Cologne‘ im Januar: Neben einigen neuen Produkten für die Müller Möbelwerkstätten (u.a. ein weniger als 5cm tiefer Arbeitsplatz der sich hinter einem Bilderrahmen versteckt). Und einem Waschtisch mit passendem Spiegelschrank für das sehr interessante junge italienische Unternehmen www.ex-t.com werde ich dort voraussichtlich mit www.noroom.de ein neues eigenes Label für raumsparende Möbel präsentieren: U.a. werde ich dort ‚HIDEsk‘ zeigen:

Dieser kleine leichte Sekretär lässt sich wie ein Klappstuhl nach der Arbeit einfach zusammen-klappen und mit lediglich 8cm Tiefe unauffällig irgendwo verstecken…

Vielen Dank für das Interview und alles Gute für die Zukunft.


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